Auf Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten anwendbares Recht - Offizialmaxime

5A_524/2017

Bundesgerichtsentscheid vom 09. Oktober 2017

Art. 296 Abs. 3 ZPO, Art. 282 Abs. 2 ZPO

In Anbetracht der Rechtsprechung betreffend die in die ZPO übernommene Bestimmung vom Art. 280 Abs. 2 aZGB ist davon auszugehen, dass Art. 296 Abs. 3 ZPO auf die Unterhaltsklage eines mündigen Kindes nicht anwendbar ist, da sich ein erhöhter Schutz diesfalls nicht rechtfertigt (BGE 118 II 93 E. 1a). (E. 3.2.2) Die Anwendung der Untersuchungs- und Offizialmaxime rechtfertigt sich, wenn es um unmündige Kinder geht, da ein überwiegendes Interesse an der Feststellung der materiellen Wahrheit besteht und dem Kind im Verfahren, in dem sich seine Eltern gegenüberstehen, keine Parteistellung zukommt. Verlangt das mündige Kind Unterhalt (Art. 277 Abs. 2 ZGB), erfolgt hingegen seine Klage unabhängig von einem eherechtlichen Verfahren, sodass keine unmittelbare Wechselwirkung zwischen dem Kindesunterhalt und der Höhe der Scheidungsrente entstehen kann. Auch die Interessenlage zeigt sich im Übrigen nicht in gleicher Weise, denn der Unterhaltsanspruch eines mündigen Kindes unterliegt bestimmten Voraussetzungen. Folglich rechtfertigt es sich, dem Anspruchsberechtigten einen weniger starken prozessualen Schutz zu gewähren (BGE 118 II 93 E. 1a). Wenn das Kind im Laufe eines eherechtlichen Verfahrens mündig wird, dauert die Befugnis des Elternteils, die Beiträge in seinem eigenen Namen und im Namen des Kindes geltend zu machen (Prozessstandschaft bzw. Prozessführungsbefugnis), nach Erreichen der Mündigkeit fort, sofern das nun mündige Kind dem zustimmt (BGE 129 III 55 E. 3; BGer 5A_874/2014 vom 8.5.2015 E. 1.2 m.H.). Da dem mündigen Kind diesfalls keine Parteistellung zukommt, kann ohne Willkür davon ausgegangen werden, dass dem mündigen wie dem unmündigen Kind ein erhöhter prozessualer Schutz zu gewähren ist, sodass die Offizialmaxime über die Mündigkeit hinaus anwendbar ist. (E. 3.2.3) Da Art. 282 Abs. 2 ZPO nach der Rechtsprechung auch im Rahmen von Eheschutzmassnahmen anwendbar ist, kann der Unterhalt des im Laufe des Verfahrens mündig gewordenen Kindes [das seine Zustimmung i.S.v. BGE 129 III 55 E. 3 erteilt hat] ohne Willkür überprüft werden, obwohl im Berufungsverfahren nur der Ehegattenunterhalt strittig ist.